19. Alte Pflanzkulturen auf der Triftalp
|
|
Auf dem alten Moränen-Sander der Triftalp bot sich den Walser Siedlern ein wunderbarer ebener Siedlungs- und Weideplatz. Getreu alter Walser Tradition wurde dieser Alpstafel gemeinsam genutzt, seine einfachen Sennhütten und Ställe hatte jeder Alpberechtigte selbst zu bauen. So entstand vermutlich schon im 13. Jahrhundert hier eine kleine Alpsiedlung längs dem Aufstieg zum Kreuzboden. Einstmals stand der Triftgletscher mit seiner Zunge auf Triftalp. Er schloss die heutige Alp mit einem mächtigen Moränenwall zum Tal hin ab. Ein Gletscherschluss-See muss sich vor dem Moränenwall aufgestaut haben. Nach und nach durchbrach der Triftbach den Moränenwall, indem er eine tiefe Rinne ins Gelände legte. Der mit Hütten gut besetzte Alpstafel spricht für eine gute Belegung der Alpen. Tatsächlich war die Triftalp neben der Distelalp über Almagell mit über 100 Viehrechten die grösste Alp im Saastal. Umfangreiche Sanierungsarbeiten auf der Triftalp sind in Vorbereitung. Die Alpnutzer hatten später den alten Sander, ehedem mit Lärchen bewachsen, abgestockt, um Weideflächen zu gewinnen. Ebenfalls abgestockt wurde der baumbewachsene seitliche Moränenteil. Wo der Gletschersander stand sind ebene Wiesen und Weideflächen entstanden. Die ersten Alpnutzer errichteten ihre Alphütten am unproduktiveren seitlichen Moränenwall, um ja kein wertvolles Weideland zu verlieren. Über den Alpgebäuden steht der Lärchenwald licht und locker. Und er ist mit jungen Lärchen besetzt, die meist weniger als 100 Jahre alt sind. Was unzweifelhaft den Einfluss der Waldweide anzeigt. |
Der Lärchenwald zeigt die typische Heidevegetation der Höhenstufe. Kurze, dem Boden entlang wachsende strauchartige Pflanzen. Alpenrosen, Heidelbeeren, Wacholder, aber auch Moor- und Krähenbeere siedeln am Waldboden. Die Bodenvegetation ist gut einsehbar, weil die abfallenden Lärchennadeln als wichtigster Humuslieferant sich rasch zersetzen und zu recht gutem, wenn auch etwas saurem Humus führen. Im alpinen Rasen der genutzten Weideflächen zeigt sich, kaum ist die Schneeschmelze vorbei, eine reiche Blütenvielfalt. Schlüsselblumen strecken ihre gelben, die Alpen-Soldanella ihre blauvioletten Kelche aus dem Grün. Im dichten alpinen Rasen gedeihen Arnika, Anemonen, Glockenblumen jeder Art. Wo die Weidegründe in die Zwergstrauchheide übergehen, dominiert das minderwertige Borstgras. An warmen Tagen ist die Luft erfüllt vom Summen der Insekten, die in all der Farbenpracht ihrem geschäftigen Tun der Nektarsuche nachgehen. Wo die Weide eben wird, ersetzt das Rispengras die Borstgrasdecke. Es besiedelt den besten Weidegrund. In seiner Gesellschaft befinden sich Schafgarbe. Pippau, Löwenzahn und Braunklee. Näher an den Ställen und an der Viehtränke sowie entlang der alten Suone ist der Boden stickstoffreicher. Eigentliche Läger-Vegetation entsteht. Jene Pflanzen, die sich durch Überdüngung des Bodens, mit abnehmender Bewirtschaftung sowie an typischen Vieh-Lagerstellen ausbreiten. Hier siedeln der Gute Heinrich, Ampfer-Kolonien, der Ehrenpreis und auch die ärgerliche Brennnessel. Ein Alpenblumen-Paradies besonderer Art eröffnet sich unterhalb des Cafés Triftalp. An sonniger und windgeschützter Lage gedeihen hier die schönsten Alpenblumen dieser Vegetationsstufe. Alpenrosen-Kolonien, Nelkenwurz, Hohlzunge, ja sogar der Brut-Knöterich sind hier anzutreffen. Wir sind hier bereits im klassischen Weidegebiet, wo natürliches Pflanzenwachstum mit intensiver menschlicher Bodennutzung konkurriert und sich viele Pflanzengesellschaften im Lauf der Zeit der Beweidung angepasst haben. |
Die Triftalp, die Kapelle und das darunter liegende Café Triftalp — wo man sich mit Speis und Trank versehen kann — sind herrlich verträumte Winkel. Hier ist die alte, unverwechselbare Kultur der Walser Siedler in ihrer unveränderten Form zu spüren. Der Alpstafel zeugt vom harten Leben seiner Nutzer. Die in ihrer schlichten Einfachheit erstellte Muttergottes-KapeIIe mit ihrem steinernen Dachreiter, ein Juwel alpiner sakraler Baukunst, dokumentiert die Frömmigkeit früherer Generationen. Auch wenn da und dort an den Alpstäfeln in jüngerer Zeit Bausünden begangen wurden, zeigt die Bausubstanz eine unerhört schöne, aber einfache Verbundenheit der Alpbenutzer mit der sie umgebenden harten Natur. Und sie zeigt die gekonnte Nutzung vorhandener natürlicher Baumaterialien, von Steinblöcken, Schieferplatten und Holz. Die da und dort noch vorhandenen diskreten künstlerischen Details und Zimmermannszeichen an den Häusern - meist war der Bergbauer sein eigener Baumeister - dokumentierten auch, dass schon die Vorfahren trotz härtester Lebensbedingungen immer auch ein Auge für das Schöne übrig hatten. Wer sich zur richtigen Jahreszeit auf Triftalp aufhält und auch etwas Glück und vorige Zeit hat, kann hier zudem aus nächster Nähe den noch funktionierenden Alpbetrieb beobachten. Ein vielleicht bald letzter Einblick in eine noch intakte Arbeitswelt, der für unsere nächste Generation vielleicht für immer verschlossen bleibt und bald für immer vergessen ist. |
|
|